von Gerhard Schwarz
Nur Vertrauen schafft Vertrauen – warum in der Wirtschaft offene Spielregeln entscheidend sind
Vertrauen ist das A und O einer freiheitlichen Gesellschaft. Vertrauen reduziert die Komplexität des Zusammenlebens und macht vieles einfacher.
Eine ehemalige Mitarbeiterin, die den Wirtschaftsjournalismus an den Nagel gehängt hat und nun nach einem Theologiestudium als Pfarrerin arbeitet, hat mir den Text ihrer letzten Sonntagspredigt zugestellt. Er befasst sich mit dem Vertrauen. Das rief mir in Erinnerung, wie sehr die liberale Ordnung und das Vertrauen in Mitmenschen wie Institutionen zusammenhängen. Leider ist es um dieses Vertrauen nicht gut bestellt. Die breite Bevölkerung bringt gemäss dem weltweit (allerdings ohne Einbezug der Schweiz) erhobenen Edelman Trust Barometer den NGO, den Unternehmen, den Regierungen und den Medien kein Vertrauen entgegen. Letztgenannten beiden begegnet sie gar mit Misstrauen und spricht ihnen sowohl Kompetenz als auch Ethik ab. Der «Wirtschaft» attestiert sie zwar Kompetenz, hält sie aber für wenig moralisch, während sie den NGO moralische Motive zuspricht, aber keine Kompetenz.
Brüchiger Vertrauenskitt
Gemäss der Umfrage misstrauen 66 Prozent dem marktwirtschaftlichen System, und 56 Prozent glauben, dass es mehr Schaden anrichte, als es Nutzen stifte. Man kann dies, wie im Falle der USA, damit erklären, dass sich viele zurückgelassen und nicht mitgenommen fühlen. Aber wichtiger als diese vordergründige Erklärung sind säkulare Trends, die den Vertrauenskitt der Gesellschaft brüchig werden lassen. Zu ihnen zählen die Zunahme der Grösse der Institutionen, die dadurch sowie durch Globalisierung und Technik geförderte Entpersönlichung der Beziehungen, das hohe Tempo der Veränderung und die Relativierung der Werte.
In einer Gesellschaft, die auf Hierarchie, Macht und Zwang aufbaut, braucht es kein Vertrauen und ist kein Platz für Vertrauen. Es kann nur in der freien Gesellschaft wachsen, in der die Möglichkeit zu enttäuschen besteht. Mit der Freiheit stirbt das Vertrauen, weil in unfreien Staaten Bespitzelung und Denunziantentum Misstrauen säen und weil die Unfreiheit keinen Raum für jene Vorleistungen lässt, die die Grundlage jedes Vertrauens bilden.
Doch warum ist Vertrauen so wichtig? Die gerne zitierte Handschlag-Qualität reduziert die Komplexität des Zusammenlebens, spart, wie die Ökonomen sagen, (juristische) Transaktionskosten und macht vieles einfacher und billiger. Vertrauen lässt aber vor allem Raum für Neues, Unvorhergesehenes und ist notwendig, um Risiken einzugehen, was seinerseits die Grundlage allen Fortschritts ist.
Verführung durch Paternalismus
Das ist die ökonomische Sicht. Dazu kommt die wichtigere weltanschauliche Perspektive, dass mit dem Vertrauen auch die Freiheit stirbt. Menschen, die ihren Mitbürgern und den wirtschaftlichen wie politischen Führungskräften misstrauen, wollen Wohlverhalten bzw. das, was sie dafür halten, durch Regulierungen und Kontrolle erzwingen. Sie glauben, dass man mit Gesetzen vieles in den Griff bekommen und Missbrauch zumindest massiv eindämmen kann. Solche Menschen sind durch populistische, oft autoritär angehauchte Rezepte ebenso verführbar wie durch die paternalistische Einengung der Freiräume im Namen guter Absichten.
Deshalb sollten sich die Freunde der Freiheit nicht nur für die Eingrenzung des Staates engagieren, für weniger Verrechtlichung und weniger Steuern, sondern auch dafür, dass wieder mehr Vertrauen wächst. Das verlangt von den Spitzen der Gesellschaft mehr Authentizität im Auftritt und sensiblere Kommunikation «von oben nach unten». Gleichzeitig verlangt es politische und wirtschaftliche Verfahren, die als fair empfunden werden, sowie sehr offene Spielregeln, in denen sich Vertrauen beweisen kann. Wer wünscht, dass man sich wieder mehr aufeinander verlassen kann, muss wissen: Detaillierte Regulierungen schaffen kein Vertrauen; sie verdrängen es. Sie sind geronnenes Misstrauen. Nur Vertrauen schafft Vertrauen.
Zur Person
Gerhard Schwarz ist unter anderem Präsident der Progress Foundation.
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