Wer China, Russland und Indien für oligarchisch regierte Länder und die USA als ehemaliges Land der Freiheit für das hält, was es tatsächlich inzwischen geworden ist, und zwar ein Land regiert von einer recht kleinen Clique superreicher Geschäftsleute … der sollte insbesondere Europa und seinen kulturell vielfältigen Völkern mit meistens recht guter und breiter Schulbildung und relativ hohem Emanzipationsanspruch seine besondere Aufmerksamkeit widmen.
Dieser forsche Einleitungssatz muss selbstverständlich näher begründet werden. Versuchen wir es.
Während die USA wegen ihrer zahlreichen sozialen Probleme innerhalb und verblassendem internationalen Respekt vor seiner egozentrischen Außenpolitik an geopolitischer Relevanz bei anderen Völkern verliert … ist China auf dem besten Wege, im globalen Maßstab die wirtschaftliche Führung zu übernehmen. Da wirtschaftliche Vorherrschaft immer auch politische und kulturelle Folgeerscheinungen hat ist davon auszugehen, dass die bisherige Pax americana von einer Pax China – oder wie auch immer man sie nennen möge – auch kulturell und politisch abgelöst werden wird. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das für uns Europäer, die wir 500 Millionen Einwohnern etwas Negatives oder doch eher Positives zu bedeuten hat. Als Europäer she ich zwar schon die Stärke des US-Imperiums und auch den Fleiß und die wirtschaftliche Macht des chinesischen Imperiums mit seinen 1,3 Milliarden emsigen und vielfach recht gut ausgebildeten Bewohnern, möchte aber dennoch NICHT unter die Obhut eines dieser Imperien weiterhin oder zukünftig stellen.
Hat nicht jede Nation Europas seine ganz speziellen kulturellen Traditionen, nationale wie regionale Sprachen, die es Wert sind erhalten zu werden? Muss ein Portugiese etwa gemeinsam mit dem Schweden sich in Zukunft damit abfinden, aus der Dominanz des US-Imperiums gleich in die Dominanz des chinesischen Imperiums zu wechseln, und das «nur» deswegen, weil diese Nation global gesehen die weltwirtschaftliche Führungsrolle übernehmen wird?
Vor 40 Jahren noch wurde in den weltweit agierenden Leitmedien stets vom SELBSTBESTIMMUNGSRECHT DER VÖLKER gesprochen und damit meistens an die vom Sowjetsystem unterjochten kleinen baltischen Länder, Polen, Ungarn, Tschechen, Slowaken etc. gedacht. Um diesen ehemals in westlichen Medien hochgehaltenen Wertmaßstab ist es in den letzten Jahren verdächtig still geworden. Seitdem die Begriffe «Nation» oder «Selbstbestimmung» von einem Konzept «eine Welt» oder «Globalisierung» oder «Neue Weltordnung» verdrängt worden sind, laufen wir in Europa Gefahr, das Attraktivste, was uns letztlich ausmacht, zu verlieren: unsere kulturelle Vielfalt. Franzosen sind stolz darauf, Franzosen zu sein und Briten sind stolz darauf, keine Franzosen zu sein, sondern Angelsachsen mit ihrem mächtigen «Vetter» in USA. Italiener sind stolz auf ihr Dolce Vita, Deutsche auf ihren Fleiß und ihr Organisationstalent, ihre Philosophie .und Ingenieur-Leistungen. Polen sind stolz darauf, wieder eine Nation geworden zu sein, nachdem sie diesen Status zuvor für längere Zeit verloren hatten. Ähnliches gilt für die Ungarn, die auch während ihrer Zugehörigkeit zum Sowjetimperium ihre Identität und ihre ungarische Musik nie aufgegeben haben … und diese nun erneut gegenüber den Knebelungsversuchen einer demokratisch NICHT legitimierten EU-Kommissions-Hierarchie glauben verteidigen zu müssen. Wenn man die Politik der EU-Kommission näher betrachtet bleibt lediglich die kritische Erkenntnis, dass dort die globalen Kapital-Investoren das Sagen haben, aber NICHT die Bevölkerungen der europäischen Mitgliedsländer. Nur so sind die meisten Konflikte und Unstimmigkeiten in Europa zu erklären. Wäre auch Europa demokratisch verfasst und nicht nur die Mitgliedsländer – zumindest vom Anspruch her und angesichts der Politiker- Rekrutierung durch Wahlen WÄRE – dann WÄREN wir schon einen wichtigen Schritt weiter in Richtung «Europa der Vaterländer».
Mit dem Begriff «Europa der Vaterländer» ist die Bewahrung jeder kulturellen Identität in jedem Land der Europäischen Union gemeint und KEIN europäischer oder sonst globalisierter EINHEITSBREI. Der RESPEKT vor den unterschiedlichen Kulturen IN Europa hat seine direkte Parallele zu dem RESPEKT vor der Würde jedes einzelnen Menschen und seiner Familie. Für diese Werte haben etliche Generationen von unseren Vorfahren in Europa gestritten/gekämpft. DAS darf nicht verloren gehen, weder an eine nordamerikanische Imperialmacht noch an eine chinesische. Europa, wie es zurzeit organisiert ist, gibt dem Einfluss heimatloser Investmentfonds viel zu viel Einfluss auf seine wirtschaftlich und politisch-soziale Entwicklung. Diese Investmentfonds/Kapitalgeber haben nur ein Interesse: Ihre Macht und Erwerbsmöglichkeiten zu vergrößern. Die Bevölkerungen Europas haben jedoch ANDERE ZIELE: dazugehören zum Beispiel Arbeit und eine gute medizinische Versorgung zu haben, eine selbstbestimmte Lebensplanung umzusetzen, in Frieden zu leben und die bereits erwähnte Bewahrung und Pflege ihrer nationalen oder regionalen Traditionen realisieren zu können.
Den Interessen der europäischen Bevölkerungen kann man allerdings nur gerecht werden, indem man die Interessen der globalen Kapitalanleger kanalisiert, nicht weiter dominieren lässt sondern reduziert. Unser Leben ist eben KEIN reiner Kapital-Verwertungsprozess.
Ich möchte an dieser Stelle meinen früheren Chef, den ehemaligen Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Professor Burghard Freudenfeld, zitieren, der in seinen Vorträgen vor Unternehmern an folgende Lebenserfahrung erinnerte:
«Man kann nicht die Gesellschaft insgesamt und permanent zu einer Arena für Leistungskämpfe machen. Der falsche totale Marktgedanke als ständiger Wettbewerb aller mit allen produziert zu viele menschliche Niederlagen und verfehlt gerade das, worauf es ankommt – nämlich einen Leistungsbegriff zu entwickeln, der über den mess- und sichtbaren Erfolg hinaus ein gesellschaftlich verlässliches Wertgefühl erzeugt und das nötige Maß an allgemeiner Befriedung erlaubt.»
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