«Denk’ ich an Deutschland in der Nacht werd’ ich um meinen Schlaf gebracht» schrieb Heinrich Heine vor etwa 200 Jahren in den Zeiten des revolutionären Umbruchs in Zentraleuropa. Zeiten, in denen so mancher, Heute würde man Querdenker sagen, ins nahe Ausland flüchten musste, um nicht wegen seines unabhängigen Denkens und Sprechens eingekerkert zu werden. Damals sagte derselbe Heine auch in etwa: «Freiheit genoss das Volk, das Risiko hatten nur die, die drucken lassen.» Kommt mir irgendwie bekannt und sogar aktuell vor.
Wenn man das heutige Deutschland verstehen will muss man zumindest bis ins Jahr 1870/71 zurückgehen, in das Jahr als Deutschland zu dem wurde, was es Heute in kleinerer Form noch ist: ein Nationalstaat, der bis vor etwa 30 Jahren noch fast ausschließlich von Deutschen bewohnt war. Vorher waren die deutschen Lande zwar irgendwie durch ihre Sprache mehr oder weniger ein gemeinsamer Kulturraum, der aber keine politische Einheit war. So konnte es geschehen, dass der eine Fürst mit Napoleon gegen seinen Widersacher aus der Nachbarschaft gemeinsame Sache machte. Der andere Kurfürst wiederum mit den Habsburgern gegen seinen Nachbarn, der ihm zu stark oder ambitiös zu werden und sein Herrschaftsgebiet in den Schatten zu stellen drohte. So verwundert es auch nicht, dass so mancher hessische Söldner sein Auskommen im napoleonischen Feldzug gegen Russland solange erwarb, bis er in der Ferne erfolglos sein Leben ließ.
Ab 1870/71 änderte sich all’ das. Aus einem politisch-wirtschaftlichen Flickenteppich wurde ein Deutsches Reich unter Preußens Führung. Preußens Führung wurde deshalb möglich, weil es zuvor die Habsburger durch einen siegreichen Krieg als möglichen Führungskandidaten für ein Deutsches Reich in die Schranken gewiesen hatte. Hinzu kam noch, dass dieses Deutsche Reich nach einem recht kurzen und für die Franzosen traumatischen und verlorenen Krieg in Paris/Versailles proklamiert wurde, einem «wenig deutschen Ort», den Franzosen darüber hinaus Elsass-Lothringen wegnahm und so von Anfang an auf unsicheren Pfeilern stand. Die Proklamierung der Gründung des Deutschen Reiches in Paris war natürlich eine freche Provokation für die Franzosen. Das sollte sich schon gut 40 Jahre später folgenreich rächen. Der Spiegelsaal in Versailles war genauso wenig eine gute Idee für die deutsche Reichsgründung wie der Versailler Vetrag ohne deutsche Beteiligung nach dem ersten Weltkrieg. Aber: Was nützt es schon, sich Heute noch darüber zu beschweren. Passiert ist passiert.
Bis Heute noch ist so mancher französische Patriot der Meinung, dass Frankreich eigentlich seine natürliche Grenze am linken Rheinufer hat. Demnach wäre ich als gebürtiger linksrheinischer Kölner eigentlich Franzose. So mancher Rheinländer hat auch heutzutage durchaus mehr den Hang, nach Paris als nach Berlin zu fahren. Ob wir Rheinländer insgesamt irgendwie heimliche Franzosen sind? In einem Europa ohne Grenzen ist diese Frage im Grunde genommen kein problematisches Thema. Wer gerne in Frankreich leben möchte, und sei es als Nebenwohnsitz … hat jederzeit die Freiheit das umzusetzen, wenn er sich dies finanziell leisten kann bzw. will.
1870 war das deutsch-französische Verhältnis allerdings noch keineswegs so entspannt wie Heute. Man sprach sogar – begründet oder weniger begründet – von einer deutsch-französischen Erbfeindschaft, die sich letztlich in zwei späteren Kriegen miteinander, die sich wegen zahlreicher Bündnisfälle zu Weltkriegen ausdehnten, entlud. War es wirklich so, dass Franzosen und Deutsche nicht friedlich miteinander oder wenigstens friedlich nebeneinander leben konnten?
Soweit unser Verhältnis zu unseren französischen Nachbarn. Es gab aber damals noch einen weiteren potenten, wenn auch etwas weiter entfernt lebenden Nachbarn, Großbritannien, das sich bis Heute noch gerne als British Empire sieht, aber eher schlecht als recht verkraftet, seit 1945 kein «Empire» mehr zu sein.
Im Jahre 1870/71 war das British Empire aber noch ein echtes Weltreich, in dem die Sonne zwischen Nordamerika und Australien im wahrsten Sinne des Wortes nie unterging. Aber auch dieses Weltreich stand schon damals deswegen auf tönernen Füßen, weil die unterworfenen Kolonien keine ewige Motivation verspürten, die Briten als ihre Herren zu akzeptieren. Es gab überall in ihren Kolonien irgendjemand, der Gandhi und seinen konsequenten Weg in die Unabhängigkeit seines Vielvölkerstaats gut fand und auch für sein eigenes Heimatland mehr oder weniger konsequent gehen wollte. Das wussten selbstverständlich auch die britischen Governors in den ihnen zur Verwaltung anvertrauten Gebieten nur zu gut. Als die politischen und wirtschaftlichen Eliten des British Empire mittel- oder langfristig einer unvermeidlichen Auflösung ihres Imperial-Status entgegensahen kam dann die Gründung des Deutschen Reiches auf dem europäischen Kontinent noch als Bedrohung seiner bis dahin unangefochtenen Weltmachtstellung auf wirtschaftlichem Gebiet hinzu. Mit der Gründung des Deutschen Reiches wurde das Wirtschaften in deutschsprachigen Landen jeden Tag weniger durch Zollgrenzen behindert, das heißt es entstand für deutsche Produzenten ein einiger deutscher Markt, und den nutzten sie recht erfolgreich zur Produktion größerer Mengen an qualitativ konkurrenzfähigen Produkten. Die Briten waren «not amused» und versuchten der deutschen Konkurrenz mit dem Stempel «Vorsicht, made in Germany» bzw. dem Aufschwung des deutschen Exporthandels etwas entgegenzusetzen. Doch sie hatten sich verkalkuliert: Dieser Schuss ging nach hinten los. «Made in Germany» wurde seither bis auf weiteres zum Qualitätszeichen und Exportschlager. Dass sich die britische Geschäftswelt von den Deutschen, die sie ab irgendwann lieber als «Hunnen» bezeichneten und ihnen ein Negativimage wie heutzutage Putin anhängen wollten, war irgendwie verständlich, wenn auch schäbig.
Soviel zu den Briten als zweiten potenziellen Neidern eines deutschen einheitlichen Staates und Wirtschaftsraums.
Es gibt auch noch mindestens einen Dritten, der als Konkurrent der deutschen Geschäftswelt zu nennen ist. Das sind die Amerikaner. Bis zum europäischen – nennen wir es pathetisch – «Schicksalsjahr 1870/71» waren die nordamerikanischen businessman damit beschäftigt, ihr Konzept «Amerika den Amerikanern» (Monroe Doktrin aus dem Jahr 1823) in die Praxis umzusetzen. Das beinhaltete Spanier, Franzosen, Niederländer aus dem amerikanischen Kontinent, ihrem imperialen Selbstverständnis nach gehörte dazu natürlich auch ganz Südamerika oder «backyard/Hinterhof» genannt. Entsprechend gingen sie vor und mit den dort lebenden Ursprungsbevölkerungen um: expansive Verdrängung ist wohl der passendste Begriff dafür.
Als die nordamerikanischen Geschäftskreise zuerst den Süden Nordamerikas per Bürgerkrieg angeschlossen hatten, kauften sie von den Russen Alaska, von den Spaniern ergaunerten bzw. kauften sie Kalifornien, Texas, Florida etc. verdrängten die Franzosen aus Louisiana und schließlich auch noch die Spanier aus den Philippinen, womit sie den ersten Schritt «Expansion außerhalb Amerikas» tätigten.
Da Erfolg erfahrungsgemäß unersättlich macht blickten sie, nachdem sowohl die Franzosen als auch die Briten in dem nördlichsten Teil ihres Kontinents Stück für Stück ihren ehemaligen Einfluss verloren hatten, nach Europa, deren Nationen sie bisher in ihren eigenen Stammlanden lange Zeit ‘wurschteln’ ließen. Gemäß der Überzeugung ihrer puritanisch geprägten Elite, dass jeder Mensch käuflich ist, es hänge nur vom jeweiligen Preis ab, machten sie sich daran, auch Europa zu übernehmen. Da man in Nordamerika ab und zu historische Kenntnisse Anderer zurate zieht, machte man sich das altrömische Erfolgsrezept «divide et impera» zunutze und unternahm die ersten Schritte, sich sowohl Frankreichs Elite als auch die der Briten mit ihren Dollars dienstbar zu machen und schufen sich auf diese Art «Freunde in Europa», die sie nicht mehr losließen. Man spürte es bereits auf der Versailler Konferenz 1918 und verstärkt auf Jalta, wo «die Welt 1945 neu aufgeteilt wurde»: amerikanische Dollars gaben den Ausschlag, während der eine oder andere Brite und zum Teil sogar Stalin mit seiner amerikanisch mit-finanzierten Roten Armee nur großtuerische Auftritte absolvierte. (Quellen: Antony Sutton, Best Enemy Money can Buy; Arthur Conte, Yalta ou la partage du monde).
Ohne die US-Geschäftsinteressen zu berücksichtigen ging auch in Europa seither Nichts mehr. Die links abgebildete Karikatur ist ein selbstkritisches Zeitzeugnis dazu.
Fortsetzung folgt …..
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