Es ist zu einem altbekannten Sprichwort geworden – und das international: Geld regiert die Welt. Weithin bekannt ist auch die Tatsache, dass wegen Geld, d.h. wirtschaftlicher Interessen, unternehmerischer Konkurrenz, Konflikte entstehen und Kriege geführt werden. Der folgenreichste und wohl tödlichste davon war der 2. Weltkrieg mit seinen kalkulierten 65 Millionen Opfern weltweit. Doch dieser 2. Weltkrieg hat einen direkten Vorläufer ohne den die Katastrophe von 1939-1945 nicht zustande gekommen wäre; der 1. Weltkrieg und insbesondere seine Vorgeschichte. Die Vorgeschichte des 1. Weltkriegs kann mit der aktuellen Weltlage durchaus verglichen werden, denn es gibt Parallelen. Vor dem 1. Weltkrieg bestand ein wirtschaftliches Rivalitätsverhältnis zwischen der damaligen ersten und seit Jahrzehnten etablierten Imperialmacht England beziehungsweise Großbritannien und dem «Aufsteiger» Deutsches Reich unter preußischer Führung. Heutzutage besteht eine ähnlich wirtschaftliche Rivalität mit der 1. Imperialmacht USA und dem heutigen «Aufsteiger» China. Damals führte die Rivalität zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich zu zwei aufeinanderfolgenden Weltkriegen … möge der Welt die heutige Rivalität zwischen den USA und China das gleiche Schicksal erspart bleiben. Angesichts des «Vorstufenkriegs» Ukraine mit US/Nato-Unterstützung gegen Russland steht diese Hoffnung zurzeit allerdings auf wackeligen Füßen.
Ein Kapitel aus einem sehr stichhaltig geschriebenen Buch zur Vorgeschichte des 1. Weltkrieges von einem Autoren, der sowohl über Erfahrungen in der internationalen Diplomatie als auch auf dem Feld der internationalen Wirtschaftsbeziehungen sammeln konnte, also ein direkter Insider-Zeitzeuge des damaligen Geschehens war, mag uns aufklären. Das Buch ist gleich nach Ende des 1. Weltkrieges im Jahr 1919 im Berliner Verlag Ullstein erschienen und insofern «ofenfrisch» geschrieben und gedruckt.
Karl Helfferich, Die Vorgeschichte des Weltkrieges
Vielfach hat sich England mit Deutschland zur Aufrechterhaltung des status quo und der offenen Tür (Handelsfreiheit) zusammengefunden. Jedenfalls war auch England in keinem Winkel der Welt durch deutsche Angriffs- oder Eroberungsabsichten irgendwie bedroht.
Dagegen enthielt unser Verhältnis zu England einen anderen Zündstoff, der verhängnisvoll geworden ist: Deutschland zeigte auf wirtschaftlichem Gebiet einen Ausdehnungsdrang, i dem England, je länger desto mehr, eine ernstliche Bedrohung seiner industriellen und kommerziellen Suprematie (Vorherrschaft), und damit eine Bedrohung seiner Weltherrschaft überhaupt, erblickte.
Die politische Einigung Deutschlands und die Sicherung seiner Stellung unter den Völkern hatte den Druck gelöst, der bisher die Entfaltung der deutschen Wirtschaft gehemmt hatte. Das starke Wachstum der deutschen Bevölkerung und die noch stärkere Zunahme der Gütererzeugung hob unsere wirtschaftliche Kraft und wies uns in steigendem Maße auf den Güteraustausch mit dem Ausland und die Betätigung im Ausland. In der Entwicklung der wichtigsten Industriezweige, unseres Außenhandels, unserer Handelsflotte, hatten wir unter den Völkern der Welt Höchstleistungen aufzuweisen. In der Roheisenproduktion, in der wir um die Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts (das heißt in diesem Fall 1850) noch um die Hälfte hinter England zurückstanden, haben wir im Jahr 1903 England mit einer Erzeugung von mehr als zehn Millionen Tonnen zum ersten mal überflügelt, und im letzten Jahr vor dem Krieg hatten wir fast das Doppelte der englischen Produktion erreicht. In der Steinkohlengewinnung hatten wir vor dem Krieg die stolzen Ziffern Englands nahezu eingeholt. In der Warenausfuhr waren wir England gleichfalls hart aufgerückt; unser Export nach den nicht zum britischen Imperium gehörigen Gebieten hatte sogar denjenigen Englands nach den gleichen Ländern erheblich übertroffen. Der Raumgehalt der Dampfschiffe unserer Handelsflotte war seit der Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts auf mehr als das Sechsfache gestiegen. Unter den Handelsflotten der Welt hatten wir – in einem allerdings noch gewaltigen Abstand zu England – die zweite Stelle erreicht. An Leistungsfähigkeit hielten unsere Schiffe jeden Vergleich. In allen Teilen der Welt betätigte sich in zunehmendem Maße deutscher Unternehmergeist; er wagte sich auch an Aufgaben von Weltrang, wie große Eisenbahn- und Hafenunternehmungen (wie heutzutage auch China), die vordem als die ausschließliche Domäne Englands und etwa noch Frankreichs gegolten hatten.
Es war friedlicher Wettbewerb, die Ausübung des Naturrechts der Völker auf Arbeit und deren Früchte. Und doch war der Erfolg dieses unseres friedliche Wettbewerbs auf den Märkten der Welt der ausschlaggebende Faktor für die Gestaltung unseres politischen Verhältnisses zu England und damit für den Zusammenschluss der uns feindlichen Weltkoalition. Im Besitz von gewaltig überlegenen weltpolitischen Machtmitteln, des weitaus größten Kolonialreichs der Welt, der weitaus stärksten Flotte und der wichtigsten Meeresstraßen beherrschenden Stützpunkte, sah England sich vor die Versuchung gestellt, seine durch unseren Wettbewerb bedrohte wirtschaftliche Weltstellung mit den Gewaltmitteln zu erhalten, die sie geschaffen hatten.
Insbesondere der wirtschaftliche Aufschwung von der Mitte der 1890er Jahre an alarmierte Englands kommerzielle und politische Kreise in zunehmendem Maße. Das Stigma «made in Germany» verfehlte offenkundig seinen Zweck, ja es wurde geradezu eine Enthüllung der wachsenden industriellen und kommerziellen Leistungsfähigkeit des deutschen Wettbewerbs. Angesehene Staatsmänner, weit verbreitete und einflussreiche Zeitungen und Zeitschriften wiesen warnend und mahnend auf die deutsche Gefahr hin. Schon frühzeitig bezeichnete Lord Rosebery Deutschland als den gefährlichsten Nebenbuhler Großbritanniens: «Wir sind bedroht durch einen furchtbaren Gegner, der uns benagt wie das Meer die schwachen Teile des Küstenlandes. Der Handel des Vereinigten Königreichs verringert sich unaufhörlich, und was er verliert, das gewinnt in der Hauptsache Deutschland.» Und wenn Lord Rosebery noch in erster Linie daran dachte, seine Landsleute zu einer Bekämpfung des deutschen Wettbewerbs durch Nachahmung der deutschen Rührigkeit, der deutschen technischen Schulung und Organisation anzufeuern, so regten sich doch bald Stimmen, die unter Berufung auf die britische Geschichte und Tradition unzweideutig dazu aufforderten, das Schwert in die Waagschale des wirtschaftlichen Wettbewerbs zu werfen.
Die «Saturday Review» schrieb schon im August 1895: «Vor allem andern: Wir Engländer haben bisher immer unsre Nebenbuhler im Handel mit Krieg überzogen; und unser Hauptnebenbuhler im Handel ist heute nicht Frankreich, sondern Deutschland. Im Fall eines Krieges mit Deutschland würden wir sicher viel gewinnen und nichts verlieren, während wir in einem Krieg mit Frankreich, einerlei wie sein Ausgang wäre, sicher schwere Verluste erleiden würden.»
Im September 1897 schrieb die «Saturday Review, anknüpfend an eine von der «Times» Bismarck zugeschriebene Bemerkung:
«Bismarck hat längt erkannt, was nun auch das britische Volk einzusehen beginnt, dass es in Europa zwei große, unversöhnlich sich bekämpfende Kräfte gibt, zwei große Nationen, die den ganzen Erdkreis zu ihrer Domäne machen und von ihm Handelstribut einfordern möchten. England, mit seiner langen Geschichte erfolgreicher Angriffskriege, mit seinem wunderbaren Glauben, dass es in der Verfolgung seiner eigenen Interessen zugleich Licht unter den im Dunkel lebenden Völkern verbreitet, und Deutschland, Blut von dem gleichen Blut, Bein von dem gleichen Bein, mit einer geringeren Willenskraft, aber vielleicht einer schärferen Intelligenz ausgestattet, treten in jedem Winkel des Erdballs in Wettbewerb. In Transvaal, am Kap, in Mittelafrika, in Indien, in Ostasien, auf den Inseln der Südsee und im fernen Nordwesten, überall wo die Flagge der Bibel und der Handel der Flagge gefolgt ist, steht der deutsche Handelsreisende mit dem britischen Kaufmann im Kampf. Überall wo es gilt, ein Bergwerk auszubeuten oder eine Eisenbahn zu bauen, einen Eingeborenen von der Brotfrucht zum Büchsenfleisch, von der Enthaltsamkeit zum Branntwein zu bekehren, da suchen Deutsche und Engländer sich gegenseitig auszustechen. Eine Million kleiner Reibungen schafft den größten Kriegsfall, den die Welt je gesehen hat. Wenn Deutschland morgen aus der Welt ausgelöscht wäre, so gäbe es übermorgen in der Welt keinen Engländer, der dadurch nicht reicher geworden wäre.» … … …
Als Fürst Bismarck, wenige Monate später von dem Engländer Sidney Whitman befragt wurde, wie nach seiner Ansicht die Beziehungen zwischen den beiden Ländern gebessert werden könnten, ließ er er antworten: «Er bedauere, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und England nicht besser seien, als sie eben sind. Bedauerlicherweise wisse er kein Mittel dagegen, da das einzige ihm bekannte, das darin bestehe, dass wir unsere Industrie einen Zaum anlegten, nicht gut verwendbar sei.»
Catracho global: Die Zeit danach bis heute ist noch bekannter geworden als die im Buch von Karl Helfferich beschriebene Vorbereitungszeit.
Anmerkung: Die in Klammern gesetzten Worte wurden von der Redaktion zur Erläuterung hinzugefügt.
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