Es regnete in San Pedro Sula, ich war allein Zuhause und verspürte plötzlich so etwas wie Heimweh, was mir nicht oft «passiert», aber es war so, und zwar Heimweh nach Köln.
Was macht man als Kölner wenn man Heimweh hat? Das war sofort klar: ich suchte bei Youtube nach kölsche Ledcher … und die sind fast logisch entweder bei WILLI OSTERMANN gleich nach dem 2. Weltkrieg oder den BLÄCK FÖÖSS ab den 70er Jahren zu finden.
Begonnen hatten einige der späteren Bläck Fööss-Musiker mit englischen oft Beatles-songs, die sie teilweise ins Deutsche übertrugen und bei allen möglichen Gelegenheiten vortrugen. In einem Video über diese Anfangsjahre erzählte der damals in Köln ansässige Brite Graham Bonney (Künstlername), der eng mit den Bläck Fööss zusammenarbeitete, er habe der Band nach den ersten englischsprachigen Stücken geraten, doch lieber Lieder auf kölsch vorzutragen, denn das könnten sie ja ohnehin besser als englisch. SO begann dann die eigentliche Karriere der Bläck Fööss … und zwar im Kölner Karneval, der sich gewöhnlich – was die musikalischen Auftritte betrifft – mehr oder weniger über das ganze Jahr erstreckt, denn etwas zu feiern gibt’s in Köln und seinen «kölsch-kulturell-infiltrierten» Nachbarzonen – sogar inklusive Düsseldorf ! – außer vielleicht Weihnachten und Ostern fast ständig.
Kölsch war, so erzählt es auch Bläck Fööss-Musiker Bömmel (Achtung: Kosename wie in Kölner Kreisen Standard!) in den Nachkriegsjahren zuerst noch irgendwie verpönt und als Sprache der Kölner «Unterschicht» angesehen, zumindest von Denjenigen, die sich selbst «darüber stehend» verstanden. Mit den Bläck Fööss, die seither ihre Lieder konsequent auf Kölsch vortrugen, wurde das Kölsche dann ab den 70er Jahren auch in der Kölner Bevölkerung insgesamt wieder «salonfähig» (siehe Anmerkung unten *), dank des Tipps von Graham Bonney aus Essex … sei an dieser Stelle erinnert.
Exkurs: Als Historiker verstehe ich dies als ansatzweise ganz persönliche Wiedergutmachung Grahams für die Schäden, die die 262 Bombardierungen Kölns mit insgesamt 34.711 abgeworfene Bomben-Tonnen den Kölnern während des 2. Weltkriegs beigebracht haben: 20.000 zivile kölsche Tote und 80%ige Zerstörung der Kölner klassisch-wunderschönen Häuser durch seine Landsleute bei der Royal Air Force (Quelle: Wickipedia). Entschuldige bitte, Graham, ich weiß, Du warst es ja NICHT! Ich wollte es nur nochmals erwähnt haben, denn die Nachkriegs-Lieder von Willi Ostermann, in gewisser Weise Vorgänger der Bläck Fööss, sind von einer Melancholie geprägt, die die verlorene menschliche und architektonische Harmonie Kölns sentimental und letztlich nicht anklagend besingt.
(*Es gibt allerdings auch immer noch Kölner, die des Kölschen – meist aus ihrer Kindheit – durchaus noch mächtig wären, wenn da nicht die Fehleinschätzung wäre, dass Kölsch die Umgangssprache der ‘einfachen Leute’ wäre, von denen sie sich selbst jedoch durch die Verwendung des Hochdeutschen «abheben» möchten oder zu müssen glauben.)
Die Melancholie in den Liedern Ostermanns und der Bläck Fööss klingt auch wieder in dem Black Föss-Lied mit dem Titel «En unserem Veedel» durch, wenn sie den Abriss ganzer Stadtviertel für den Bau der Nord-Süd-Fahrt für einen flüssigeren Autoverkehr beklagen: «Wat bliev dann hück noch stonn» (für ‘Kölsch-Analphabeten’ sei übersetzt: Was bleibt denn heute noch stehen.) Die Melancholie in diesen Liedern wird von einer gut erkennbaren humanen, aus dem in Köln vorwiegend katholisch-christlichen Glauben und der von dort stammenden warmherzig-familiären Grundstimmung getragen, die dem «Fremden» gegenüber offen ist und auf diese Weise fast «magnetisch-integrative Wirkung» hat. Dem Kölner Charme ist schon so mancher Kulturfremde erlegen, ob er aus Italien – mit den Römern oder später -, aus Portugal, Spanien, Griechenland oder gar aus Sachsen, Schwaben oder Friesland nach Köln gekommen ist. Das dazu passende Bläck Fööss-Lied textet: «Su sin mer all hehin jekumme/so sind wir Alle hierher gekommen». Keine Chance: Mehr oder weniger Alle sind Kölner geworden und haben sich SO human-kulturell in warmherzig-familiär-friedliche Höhen weiterentwickelt. So zumindest sieht das der «waschechte» Kölner mit seinem typisch ‘rheinisch-katholischen Missionsdrang’; das aber ohne bevormundend zu wirken, möchte ich an dieser Stelle betonen. Denn dä Kölsche es jrundsätzlich tollerant, weil er als Händler-Typus mit Stapelrechten am Rheinufer viele Leben lang gelernt hatte, mit seinen holländischen, schweizer, französischen Nachbarn ebenso wie mit den Moselwein-begeisterten Briten gute geschäftliche Kontakte zu pflegen, die den Kölschen letztlich zum Bewohner der für lange Zeit wichtigsten deutschen Stadt mit einem imposanten Eisenbahnknotenpunkt machten. Sowas macht kulturell flexibel, heimatverbunden und auch stolz darauf.
Auch Napoleon wurde anfänglich im Rheinland mit offenen Armen empfangen – ich erinnere an «Eau de Cologne 4711» und die Begriffe Schäselong (Chaiselongue) für eine Variante eines Sofas, Paraplü/Parapluie statt Regenschirm oder Fisematäntchen/visitez ma tante im Sinne einer ‘schlüpfrigen’ Einladung an französische Soldaten, die ‘Tante’ aufzusuchen; oder auch das heute noch in Köln von älteren Menschen verwendete «Trottoir» statt Bürgersteig …. bis Napoleon mit seinem recht viele Deutsche «verschleißenden» Russlandfeldzug vor gut 200 Jahren sogar bei den ansonsten francophilen Rheinländern verständlicherweise in Ungnade fiel. Die Kölschen und mit ihnen die Bläck Fööss sind sogar SO weltoffen, dass sie sich für eine regierungsamtliche Kampagne «Arsch hu gegen Rechts» (Hintern hoch gegen Rechts) «politisch korrekt» einspannen ließen und damit vermutlich bei den auch urkonservativ gestimmten und traditionsbewusst-katholischen Kölnern Zweifel gegenüber dem Einsatz «ihrer» Bläck Fööss aufkommen ließen. Insbesondere die Errichtung einer Riesen-Moschee in Sichtweite «ihres so sehr geliebten Kölner Doms» spaltete nach und nach die kölsche Seele in der das «leve un leve loße» (leben und leben lassen) ‘bis in die Gene’ verankert ist.
Der Spagat zwischen ihren katholisch geprägten Grundüberzeugungen und ihrer grundsätzlich vorhandenen Toleranz gegenüber kulturell anders Geprägten wurde auf eine lange nicht mehr gekannte Probe gestellt, denn auch die Kölner mussten bei all’ ihrer Offenheit feststellen, dass NICHT jeder Mensch anderer Kultur ihrer Offenheit mit gleicher Offenheit begegnet, sondern diese Toleranz als Schwäche des Gegenüber werten könnte und strategisch auszunutzen beabsichtigte. Schließlich heißt es in ihrem Lieblings-Heimatlied für Mallorca-Urlauber stets: «Mer fält nur vom Balkon die Aussicht op der Dom» (mir fehlt nur vom Balkon die Aussicht auf den Dom).
Dennoch bin ich überzeugt, dass so mancher undogmatische und eingekölschte Türke und Muslim der 2. oder 3. Generation im Karneval dieses Lied mitsingt und von den Kölschen beim Schunkeln dabei (bei recht vielen auch nicht nur in Karnevalszeiten) «mit ihrer angeborenen Herzlichkeit eingehakt und von der kölschen Gemütswoge mitgeschwemmt wird».
Kölle, Du bes mi Hetz am Ring (habt Ihr’s verstanden?) und Willi Ostermann und die Bläck Fööss das musikalische Blut dazu. DANKE!
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