Kennengelernt habe ich Lesbia Cubas im Frühjahr 1984 als ich im Auftrag der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) nach Mittelamerika gesandt wurde, um dort Projekte zur Förderung der Demokratie zu administrieren, kontrollieren und (so zumindest meine Motivation) mit eigenen Beiträgen zu unterstützen. Sie hatte gerade als 26Jährige, frisch examinierte Rechtsanwältin eine Stelle in einer renommierten Kanzlei des honduranischen Menschenrechts-Antwalts Leo Valladares angetreten und den Auftrag, meine Residenzpapiere als Auslandsrepräsentant der Adenauer Stiftung für den Aufenthalt in Honduras zu organisieren.
Gewöhnlich sind dafür zahlreiche bürokratische Formalitäten zu erledigen, bei denen ich auf mich alleine gestellt und mit noch recht begrenzten Spanisch-Kenntnissen vermutlich viele Fehler gemacht hätte. Soweit so gut. Die junge Anwältin machte auf mich wegen ihres ‘karibischen Äußeren’ einen recht attraktiven Eindruck und wegen ihrer beruflichen Kompetenz und ihres rechtschaffenen Inneren war sie für mich ebenso attraktiv wie menschlich wertvoll. Also konnte ich nach den ersten rein beruflich orientierten Treffen meinem inneren Drang nicht widerstehen, ein paar neue Vorwände zu erfinden, mich mit ihr zu einem Kaffee oder einem Spaziergang zu treffen … ein Auto hatte ich von der Stiftung bis dato noch nicht zur Verfügung gestellt bekommen. Sie erzählte mir ihre Lebensgeschichte, wie sie in einem ländlichen Dorf ohne Vater, ohne Mutter und ohne ihre sechs weiteren Brüder und Schwestern bei ihrer Oma aufwuchs. Die Mutter lebte mit ihrem Ehemann und den anderen Kindern damals einige Jahre in Mexiko-Stadt und einige Jahre in Guatemala-Stadt. Ihre Oma war eine recht strenge Frau. Das Wesen der Oma erinnerte mich an eine ostpreußisch strukturierte gegenüber sich selbst und Anderen disziplinierte und aufopfernde Frau mit hohem Selbstwertgefühl, die von Lesbia schon früh Arbeitsbeiträge im Haus abverlangte und sie am liebsten zur Schneiderin ausgebildet hätte. Da es wohl eine Vereinbarung zwischen Ihrer Oma und ihrer Mutter gab, dass sie bis zur vierten Klasse bei der Oma bleiben und danach erst wieder in die eigentliche/engere Familie integriert werden sollte, sorgte die Oma dafür, dass Lesbia schulisch nicht so schnell in die 4. Klasse vordrang … und die zweite bzw. dritte Klasse nach Möglichkeit solange wie nur möglich wiederholte. Der lernbegierigen Lesbia gefiel das allerdings garnicht und sie durchschaute das Hinhalte- und Bremse-Spiel recht bald und sorgte in ihrer Schule irgendwann selbst für ‘Abhilfe’. Ihre mit viel Geschick beschafften ‘Bücher über die Welt da draußen’ las sie abends – geheim – mit der Lampe unter der Bettdecke. Ihr eigener Weg begann Konturen anzunehmen.
Irgendwie kommt es mir plausibel vor, dass sie sich angesichts dieser Rahmenbedingungen schon recht früh für das Thema «Gerechtigkeit» interessierte. Denn in ihrem Sinne «gerecht» empfand sie ihre persönliche Umgebung, ihr junges ‘Schicksal’ offensichtlich NICHT. Für mich als ‘Außenstehenden’ waren das recht ungewöhnliche Geschichten, kurios und zugleich spannend. So vergingen Wochen und ein paar Monate mit menschlich angenehmen und geistig ergiebigen Gesprächen über Land und Leute in dem für mich als Deutschem am Anfang recht «exotischen» Land. Als die KAS dann meinen Bürostandort nach einem halben Jahr zur Unterstützung des christdemokratischen Präsidenten Napoleon Duarte nach El Salvador verlegte hatte unsere gegenseitige Wertschätzung und Zuneigung bereits ein solides Fundament gefunden.
Als dann zum Ende des 2-jährigen Projekts meine Rückkehr nach Deutschland anstand setzte sie ihre berufliche Karriere in ihrem Heimatland Honduras fort und ich setzte meine berufliche Karriere in meiner Heimat Deutschland fort. Wir verloren uns in den folgenden 6 Jahren aber nicht aus den Augen und korrespondierten – wie damals noch üblich – regelmäßig per Brief miteinander. Dieser Briefkontakt endete als ich in Deutschland 1993 heiratete. Mein Weg war ab diesem Moment der eines Familienvaters und Geschäftsmanns mit einer erstgeborenen Tochter namens Victoria und einem zweitgeborenen Sohn namens Constantin. Diese Ehe dauerte bis zum Jahr 2013.
Lesbia, und das erfuhr ich erst ab dem Jahr 2015, meiner «Rückkehr» nach Honduras und meiner «Rückkehr zu ihr», hatte in diesen vergangenen 31 Jahren nie geheiratet und beruflich ihrer «Amor a la Justicia» gewidmet und das mit all’ ihrer Energie und Arbeitskraft. So erzählten es mir ihre Anwalts- bzw. Richterkollegen, ihre Studenten in der ‘Universidad Católica’ und ihre Freunde. Bei mehreren Gelegenheiten erzählten mir Menschen, die Lesbias Wirken offenbar aus der Nähe sehr gut kannten quasi mit vorgehaltener Hand , dass sie als Richterin eine derjenigen ihrer Zunft sei, deren Nachnamen man NICHT mit Zahlen schreiben würde. Als in Europa Aufgewachsener verstand ich diesen Hinweis erst nach einer gewissen Reflexionspause … dann aber umso deutlicher. Nach und nach wurde mir klar, dass ihre Liebe zum Recht zwangsläufig mit einem hohen Risiko für sie persönlich verbunden sein musste. Die kompromisslose Orientierung am Recht konnte insbesondere denjenigen «Erfolgreichen und Mächtigen» ihres Landes nicht gefallen, die es gewohnt waren, ihren materiell bestens unterlegten Willen im Konflikt- bzw. Streitfall mit ihren großen finanziellen Mitteln oder politisch machtvollen Kontakten durchsetzen zu können. Der Kampf des David gegen Goliath kam mir recht schnell in den Sinn. ABER: Hatte nicht der kleine David diesen legendären Kampf gegen den (scheinbar) übermächtigen Goliath damals gewonnen?
Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass es nicht in erster Linie ihre preußisch wirkende Rechtschaffenheit war, die meine Liebe zu ihr ausmachte, sondern ihre hohe Musikalität und Sensibilität ihres Gesangs. Klar, bei ihren Urteilsverkündungen bei Gericht wird sie diese sensible und hochmusikalische Stimme in eine konsequent und hochintelligent argumentierende Stimme verwandelt haben, sonst hätte sie bestimmt weniger Autorität und Entschiedenheit ausgestrahlt. Für mich aber war sie meine Muse, die mir stets mit Liebe und Sensibilität begegnete … auch wenn es manchmal Meinungsverschiedenheiten gab, denen ich mit meinem Sternbild Löwe nicht auszuweichen neigte. Aber die Liebe zwischen uns hatte stets die Oberhand. Genauso war es auch bei ihrer beruflichen «Liebe zur Gerechtigkeit/Liebe zum Recht». Diese «Amor a la Justicia» war für sie auch in allen ihren privaten Aktivitäten maßgebend. Für Honduraner, die für sich den Erfolgsmaßstab «SER VIVO» (zu deutsch vielleicht am treffendsten übersetzt mit: «listig sein») entdeckt haben, war Lesbia Cubas weder angenehm noch einfach. An ihr konnten sich «machos oder machas prepotentes» die Zähne ausbeißen – meistens allerdings auch dann ohne Erfolg. Es gab auch Fälle, in denen der kaffeebraunen Richterin Lesbia Cubas weiße Damen einer sich edler empfindenden Kaste als Angeklagte gegenübersaßen und ihr sinngemäß hinterher sagten: «Was glaubt diese Frau eigentlich wer sie sei?» Auch diese rassistisch anmutenden Selbstherrlichkeiten prallten an meiner Lesbia Cubas ab. Sie hatte sich angesichts ihrer intellektuellen Rechtschaffenheit und Hartnäckigkeit nach und nach mit Recht den Beinamen «Dama de Hierro» richterlich erarbeitet. Es mag sein, dass zu ihrem Charakter auch das eine oder andere Gen ihres leiblichen Großvaters Ramón Amaya Amador beigetragen hat. Den deutschsprachigen Lesern sei an dieser Stelle erklärt, dass er mit seinem bekanntesten Buch «Prison Verde» (auf deutsch: «Grünes Gefängnis» – eine poetische Kritik an der Geschäftsführung US-amerikanischer Bananen-Konzerne in Honduras) nach wie vor der «größte honduranische Schriftsteller» ist, dessen Bücher zur Schulliteratur in Honduras gehören und der darüber hinaus auch kein Problem damit hatte, sich gegenüber Mächtigeren zu behaupten, wenn auch auf ganz andere Weise.
Gott sei Dank hatte dieser «geistige Panzer» im Kampf gegen mächtigere Widersacher keinerlei negativen Effekt auf ihre himmlisch anmutende Musikalität. Ihr ‘amigo del colegio’, der Neurologe Nelson Chinchilla, (in seiner Berufssparte Medizin ebenso erfolgreich wie Lesbia in der Justiz) hat Lesbia Cubas als «Sängerin» an diversen privaten Musikabenden als «Gitarrist» ebenso musikalisch genial begleitet. Schade, dass ich diese beiden grandiosen honduranischen «Auch-Musiker» nie gemeinsam musizierend erleben durfte. Zu dieser Zeit war ich in Deutschland und der profanen Aufgabe des Geld-Verdienens nachgegangen und hatte diese «musikalisch-himmlischen Auftritte» verpasst.
Öfter kam mir der Gedanke, wie es Lesbia wohl möglich war, ihre innere Sensibilität/Musikalität/Humanität mit einem äußeren Panzer gegen machtvolle Angriffe auf ihre richterlichen Entscheidungen zu kombinieren. Ihre Anwalts- und Richterkollegen werden die Antwort kennen.
An dieser Stelle erinnere ich mich an den Fall eines Rechtsstreits zwischen der Tageszeitung El Tiempo und ihren Mitarbeitern. Lesbia hatte als eine von mehreren Richtern diesen Arbeitsrechtsfall in San Pedro Sula zu entscheiden. Die Entscheidung muss wohl zugunsten der Angestellten von El Tiempo (Eigentümer war die Familie Rosenthal) ausgefallen sein, denn danach begann eine Art Propaganda-Hatz dieser Zeitung gegen Lesbia Cubas auf allen Registern, die auch Lesbias Schwester , die bekannte Sängerin Oneyda de America im Rahmen einer Art Kollektiv-Bestrafung gleich mit bekämpfte. Oneyda’s Auftritte wurden ab diesem Zeitpunkt ebenso wie Lesbias Präsenz im sozialen Leben der Stadt von der Zeitung El Tiempo – übrigens auch zum Bedauern der dort angestellten Redakteure – nicht mehr publiziert. Da stand wirtschaftliche Macht gegen das Gesetz und in der Bevölkerung San Pedros und darüber hinaus – nicht zuletzt auch in den Kreisen der von solchen Strukturen betroffenen Anwälte und Richter – wurde mit großem Interesse verfolgt, wer wohl diesen Kampf gewinnen würde: Die Macht oder das Gesetz?
Irgendwie gelang es «der Macht» Lesbia Cubas in ihrem Beruf als Richterin erst einmal zu schaden, denn sie wurde versetzt, um danach jedoch zurückzukehren: Als Richterin der nächst höheren Instanz. Zum Schluss konnte sich also das Gesetz – zumindest in diesem Fall – teilweise durchsetzen.
Welch eine Zufriedenheit muss damals in Lesbia Cubas Seele Platz genommen haben. Ich spüre es förmlich noch während ich diese Zeilen schreibe. Wer aber jetzt glaubt, meine Frau hätte gegenüber der Eigentümerfamilie von El Tiempo irgendeinen bleibenden Groll gehegt, der täuscht sich. Während irgendeiner hochrangigen Hochzeit in der Kathedrale der Stiftung Motivo war auch Jaime Rosenthal mit seiner Familie anwesend und Lesbia fragte mich, ob sie mich Herrn Rosenthal, ein Hondureño mit einem deutsch-klingenden Namen (Rosenthal = Valle de Rosas), vorstellen solle. Auf der einen Seite war ich über diesen Vorschlag etwas verwundert, auf der anderen Seite war Jaime Rosenthal in diesem Moment im Gespräch. Ich verzichtete und wir begrüßten dann noch andere Teilnehmer dieser eleganten Hochzeitsfeier. «Racheengel der Gerechtigkeit» mögen an diesem Verhalten erkennen, dass Lesbia weder nachtragend noch so etwas wie rachsüchtig eingestellt war. Alles was sie wollte war dem Gesetz Geltung zu verschaffen und das, was man unter Gerechtigkeit verstehen könnte, ganz ohne Aggressionsgefühle, ganz ohne Angriffe. NUR mit der Macht des GESETZES wollte sie ihren Beitrag zur Gerechtigkeit in ihrer Heimat Honduras leisten und das ganz individuell als Richterin und nicht propagandistisch. Ich weiß bis heute nicht, woher sie genau all ihren Mut und ihre Entschiedenheit für das ethische Prinzip der Gerechtigkeit nahm. Ich war schließlich nicht vor Ort, als sie die riskantesten Stunden ihres Lebens mit ihren mutigen richterlichen Entscheidungen verbrachte. Im Nachhinein kommt mir insbesondere zur Osterzeit der Gedanke an die Geschichte von Jesus, der ja auch aller Christenheit vorgeführt hat, welche Konsequenzen ein Leben für ethische Prinzipien haben kann. Mag sein, dass ich ihr Leben jetzt nach ihrem Tod verkläre, idealisiere, doch die Parallele zu Jesus und seinem charaktervollen Lebens-Beispiel geht mir nicht aus dem Kopf. Ob es wohl doch in Zeiten des global propagierten Egozentrismus und Materialismus «lokale Nachfolger» für die Überzeugungen und das Werk des Jesus von Nazareth gibt?
ANMERKUNG: Der obige Text wird mein Beitrag zu einem Buch mit dem Titel «In Liebe zu Recht und Gerechtigkeit – Lesbia Cubas zum Andenken» sein. Richter- und Anwaltskollegen von Lesbia Cubas sind eingeladen, ihre eigenen Beiträge im Gedenken an die «Dama de Hierro de la Ley de Honduras» zu schreiben. Es können Artikel über ihre persönlichen Erfahrungen mit Lesbia Cubas sein, aber auch gerne Texte über die Philosophie oder Ethik des Rechts, über Zivilcourage, Unbestechlichkeit und die mit dieser Berufsethik verbundenen ganz persönlichen Risiken. Dieses Buch soll das Wirken Lesbia Cubas unsterblich machen und in den ihr folgenden Richter- und Anwaltsgenerationen weitergelebt werden.
(Diesen Artikel habe ich der Einfachheit halber auf deutsch verfasst. Die künstliche Intelligenz von Google hat die Übersetzung geliefert. Ich kann im von Google ins Spanische übersetzten Text allerdings von mir aus Nichts ändern, wenn mir etwas «falsch übersetzt» erscheint. Dafür bitte ich die Leser um Verständnis!)
Fortsetzung folgt
Lida dice
Bella historia de amor de coraje y valor Dios me dio la oportunidad de tratarla y sobretodo de quererla y respetarla admire su valor cuando conversó conmigo y me dijo estoy muy consiente de lo que viene lo haré a mi manera y justo así lo hizo hoy extraño nuestras pláticas a distancia y si aprendí de ella que debo prepararme para lo que viene sin miedo ni temor solo Valor y FE
QEPD
Rudolf Lauff dice
Gracias Lida!
Fátima dice
Que linda remembranza, así fue Lesbia, autentica
Rudolf Lauff dice
Gracias Fatima!
Jaqueline Abadie dice
Lesbia fue una persona muy especial, amada y bendecida. Siempre recordaremos su dulce y alegre presencia así como Su hermosa voz, en nuestros Convivios de TRIBU. Vivirá en nuestros corazones. «» «Recordar Es Vivir»!!
Rudolf Lauff dice
Gracias Jaqueline
Wendy caballero dice
Mi bella magistrada tan noble tan real tan viva en quienes sembró palabras de amor
Rudolf Lauff dice
Gracias Wendy!
Salvador Antonio Espinoza dice
La abogada Lesbia Cubas, fue y seguirá siendo una referente de nuestro derecho del trabajo. Por sus sentencias en contra de grupos económicos fue objeto de represalias. En una ocasión recuerdo que siendo yo, apoderado legal actor, estando ella como juez de primera instancia dictó una sentencia a favor de unos trabajadores sumamente explotados que laboraban vendiendo «helados y paletas » en la más cruda intemperie por las calles de SPS negandoles el patrono su estatus de trabadores. En esa ocasión Lesbia con el mérito de los autos dictó sentencia a favor de aquellos pobres trabajadores y lo hizo leyendo su fallo públicamente, sin titubeos y con su voz angelical pero con suma firmeza. Ella fue una profesional estudiosa, en el polemico mundo del derecho, su partida es lamentable para nuestro foro.
Rudolf Lauff dice
Gracias Salvador, si usted quiere ampliar este caso en un articulo … con gran gusto lo incluyera en el libro previsto.
Karen dice
Lesbia vivira siempre en el corazón, de quiénes la conocimos, yo tuve ese honor. ❤️
Rudolf Lauff dice
Gracias Karen!
Eldita Olivares Tillman dice
Que inspiración de documentario , gracias Rudolf por esto tan hermoso documentario, lo felicito por escribirlo y compartirlo, mi tia Lesbia vivirá en nuestros corazones por siempre .
Le quiere mucho.
Eldita
Rudolf Lauff dice
Gracias Eldita, TU conoces la historia de tu tia y lo que es igualmente importante que la valoras … y esto «no es tan comun».